… und zwischen dem entnervten Gerammel um das letzte Geschenk und dem Sinnieren über das passende Dessert zum Festtagsmenü vielleicht auch die Frage: Worum geht’s hier eigentlich wirklich? Es dauert nicht lang und man kommt bei der Liebe an… und einen Gedanken weiter wird’s sogar noch etwas konkreter – die Nächstenliebe scheint die Antwort auf die Weihnachtsfrage zu sein. Zu dem Schluss kommen die meisten wahrscheinlich innerhalb von Sekunden. Haben wir ja schließlich alle so gelernt, leichte Übung. Und deswegen auch das Gerammel um die Geschenke und das ausgefuchste Festtagsmenü, oder? Alles klar, weiter geht’s!

Doch die Sache scheint einen Haken zu haben.

Egal ob beruflich oder privat, fast alle, mit denen ich über Weihnachten rede oder mit denen ich in der Vorweihnachtszeit zu tun habe (inklusive mir selbst ????) sind auf die ein oder andere Weise gestresst und meist so gar nicht „in Stimmung“. Viele erzählen, dass sie sehr erschöpft sind, aber durch die geregelten Abläufe über die Feiertage auch keine Zeit für Erholung in Aussicht haben. Für manche ist es sogar die herausforderndste Zeit des Jahres, weil der Krach unterm Tannenbaum quasi Familientradition hat und seine Schatten schon vorauswirft oder auch schlicht und einfach weil es keine Nächsten für die Liebe gibt.

Wie auch immer die Herausforderungen konkret aussehen, gerade zu ihrer vermeintlichen Sternstunde scheint es nicht so einfach mit der Nächstenliebe zu sein. Und das wiederum scheint zu ziemlich viel Frust zu führen, denn eigentlich würden wir doch so gerne… Was also tun mit Weihnachten? Und wo bleibt die Liebe?

Ich glaube, Liebe ist eine super Idee (die wahrscheinlich beste überhaupt), aber wir müssen erstmal bei uns selbst anfangen. Klingt abgedroschen oder sogar egoistisch? Nur auf den ersten Blick. Beim zweiten Hinschauen macht es ziemlich viel Sinn sich zuerst um sich selbst zu kümmern, bevor man seine Kraft nach draußen gibt. Denn dann ist es wie bei einer Quelle, die einfach vor sich hin sprudelt und überläuft und in deren Umgebung alles erblüht. Wenn wir hingegen immer meinen, wir müssten erst noch dies und das und jener braucht noch und überhaupt… gerät alles aus dem Gleichgewicht, die Quelle versiegt nach und nach. Und dann wird gebohrt, immer tiefer, mit immer mehr Anstrengung. Und irgendwann ist einfach Schluss…

Es ist wirklich spannend. Wenn es darum geht anderen Liebe zu schenken, haben wir meist sehr klare Konzepte im Kopf, aber diese ominöse Selbstliebe, die scheint suspekt. Da ist plötzlich dieses flaue Gefühl im Magen verbunden mit der vagen Idee, dass uns das erstmal keinen Beifall bringen wird und wir eigentlich auch nicht so wirklich wissen, wie das jetzt konkret aussehen soll. Und tatsächlich entstehen auf die Frage, wie wir Selbstliebe leben können, wohl genauso viele Antworten wie es Fragende gibt. Teilen möchte ich an dieser Stelle deshalb keine fertigen Konzepte sondern eher einen möglichen Weg.

Selbstliebe ist für mich eine Frage der Haltung mir selbst gegenüber.

Wie gehe ich mit mir und meinen Bedürfnissen um? Welche sind das überhaupt und wer ist dafür verantwortlich, dass sie erfüllt werden? Welche Werte sind mir wichtig und geben mir Sinn? Wie kann ich sie leben? Große Fragen, die sich erfahrungsgemäß nicht bei Karstadt an der Kasse beantworten lassen. Sie brauchen Zeit und Raum und so ist wohl der wichtigste Schritt auf dem Weg zu mehr Selbstliebe und Selbst-Bewusstsein sich regelmäßig eine kurze Verbindung mit sich selbst zu gönnen. Das kann immer mal wieder eine Minute am Tag sein, in der ich bewusst atme, das kann ein Wochenende allein in der Natur sein oder regelmäßiges Meditieren. Und dann erstmal nur wahrnehmen: Was ist gerade los bei mir? Wo bin ich vielleicht angespannt? Wie geht es mir gerade? Innehalten. Spüren. Und dann dableiben. Und weiter: Was brauche ich jetzt? Was könnte mir gut tun? Ausprobieren. Das Ergebnis wahrnehmen. Und wieder von vorn. Mit der Zeit stelle ich vielleicht Regelmäßigkeiten fest und kann mehr und mehr meinem Wohl entsprechend handeln und reagieren. (So was wie: Ah immer, wenn ich an das 5gängige Weihnachtsmenü denke, bekomme ich Schweißausbrüche. Vielleicht machen wir dieses Jahr nur 3 Gänge und ich frage XY, ob er sich um den Nachtisch kümmert. Oder in meinem ganz konkreten Fall vor ein paar Wochen: Ah immer, wenn ich an die 5 verschiedenen Stationen denke, die es über die Feiertage abzufahren gilt, werde ich schrecklich müde. Also rufe ich meine Großeltern an und sage, dass ich erst im Januar vorbeikommen werde, weil es mir sonst zu viel wird. Verstehen sie sogar. Cool.)

Es mag sich erstmal ungewohnt anfühlen und wahrscheinlich klappt es auch nicht sofort perfekt. Es kann auch sein, dass man am Anfang einen blöden Spruch von Opa Klaus und einen missbilligenden Blick von Tante Henriette kassiert. Aber ganz ehrlich – die gewöhnen sich dran. Und das Schöne und viel Wichtigere ist: Irgendwann sprudelt es wieder. Erstmal nur ganz vorsichtig, wie so ein Glucksen innen drin. Und dann lauscht man ein weiteres Mal und spürt nach, was sich gut anfühlen würde. Und tut es einfach. Oder zumindest ein bisschen, so gut es eben geht. Und mit der Zeit wird das Sprudeln stärker und drängt nach Außen. Und dann blüht alles. Selbst noch nach Weihnachten…